Erfahrungsbericht zum Fastenwandern auf Sylt

Grinsend sitze ich im Zug. Auf diesen Moment freue ich mich seit Monaten: Der Zug rollt über den Hindenburgdamm, und ich sehe die ersten Zentimeter von Sylt. In Ruhe das Zimmer beziehen, schon mal ans Meer, bevor das Seminar losgeht… Herrlich. Wie sich das Fasten wohl diesmal anfühlt? Trotz all der Jahre Erfahrung – es ist immer anders. Spannung wächst.

Kurz vor 18 Uhr rüber in den Seminarraum. Schon gut gefüllt! Freundliche, neugierige Blicke. Fastenleiterin Heike heißt uns herzlich willkommen und erklärt den Ablauf der Fastenwoche. Das Wichtigste am ersten Abend: die Infos zur Darmreinigung. Denn im Anschluss heißt es „Abführen“! Ich habe beim ersten Fastenwandern hier ein Einlaufgerät namens Reiseirrigator gekauft, der sich sehr bewährt hat. Wieder im Zimmer, staune ich, wie schnell das Abführen damit mittlerweile geht. Ich lege mich früh ins Bett – jaaawoll. Erholung, komm!

Am Sonntagmorgen lange vor dem Wecker wach. Ein Wahnsinns-Sonnenaufgang scheint zum Fenster rein. Ich mache Fotos und lege mich mit einer Tasse Tee noch mal hin. Es geht wieder los – ich genieße ALLES: die erste Frühgymnastik in der Sonne, den ersten Saft zu klassischer Musik, die erste Wanderung (Rantum), den ersten Schweigemarsch – und diesmal gehe ich mit einigen Leuten sogar die große Runde (Rantum Becken). Soviel Energie, von Anfang an!

Trotzdem: Die Nachmittage verbringe ich wie immer im Bett – eines der Highlights der Fastenwoche für mich. Einfach nur da liegen, Augen zu, nicht mal lesen. Keine Verantwortung für gar nix. Und Schlafen geht nachmittags hervorragend.

Jetzt aber: Aufstehen, duschen, ab zur Suppe. Bloß nicht auf die Tafel schauen, was in der Brühe drin ist – sondern versuchen zu raten. Das geht von Tag zu Tag besser! Wie gut eine Suppe aus Tomaten, Kartoffeln und Steckrüben schmecken kann…

Schnell merke ich – diesmal ist die Gruppe besonders klasse. Sooo viele gute Gespräche von Anfang an. Toll. Heute gibts noch eine wunderbare Entspannungsrunde, bei der wir auf unseren Stühlen sitzen bleiben können – und wohlig müde und zufrieden gehe ich früh schlafen.

Der Montag fängt wacklig an – kenn ich schon. Ich hole mir ein Glas Traubensaft ins Bett, der hilft immer, und bis zum Aufstehen ist alles wieder gut. Heute geht’s nach Hörnum. Zur Belohnung für fleißige Fastenwanderer dreht Seehunddame Willi ein paar Ehrenrunden. Erschreckend wieder mal, wie klein die Südspitze von Sylt geworden ist!

Am Nachmittag ist Colon-Hydro-Therapie bei Karin angesagt. Mach ich jedes Mal – dieses Gefühl, von innen gereinigt zu werden, ist unbeschreiblich. Nach dem ersten Mal habe ich gedacht, ich bin so leicht, dass ich fliege. Diese Erfahrung ist übrigens dicht gefolgt von Simonas Ausspruch „Jetzt hast Du Dein Becken wieder“ nach einer Osteopathie*-Sitzung bei ihr. Diesmal gönne ich mir noch eine *Fußreflexzonentherapie, bei der Maria dank umfangreicher Anamnese meine Hautprobleme gleich mitbehandelt. Danke!

Dienstag habe ich den absoluten Tempoflash beim Fastenwandern. Läuft sich halt super, wenn der Strand bretthart ist wie eine Autobahn (mein Lieblingszitat von Fastenleiterin Bettina). Mein Tempo rächt sich jäh – an der Uwedüne in Kampen bin ich so k.o., dass ich leider unten bleiben muss. Mit letzter Kraft schleppe ich mich in die Kupferkanne. Und ins ersehnte Taxi zurück zum Fastenhaus. Zitrusschnitze, Leberwickel und Augen zu für die nächsten drei Stunden. Abends bin ich wieder fit und schwer begeistert von der Tanzeinheit Basic Movement mit Petra. Bewegen zur Musik – absolut meins. Und gar nicht peinlich, obwohl wir uns alle nicht kennen. Oder vielleicht gerade deshalb?

Auf der Wanderung nach Morsum bin ich happy: Zum ersten Mal können wir den Weg am Watt nehmen. Noch nie ging das – war immer zu feucht, und wir mussten auf die Straße ausweichen. Doch zu früh gefreut: Der Weg besteht eigentlich nur aus Schlammlöchern! Fastenleiterin Angelika fragt in ihrer unnachahmlichen Manier: „Die paar Schlammlöcher machen Euch doch nichts aus, oder?“ Jemand meint „Ich gehe lieber auf der Straße“, mehrere Leute schließen sich an. Ich finds super mit den Schlammlöchern – Schuhe und Hose sehen entsprechend aus. Abends gibt’s locker flockig vorgetragene Infos zu Aufbaukost und Ernährung von Heike. Wir können unsere Fragen zu den Nachfastentagen loswerden, und Heike stattet uns mit tollen Rezepten aus.

Meine Lieblingswanderung ist die nach List. An der Seeseite entlang. Auf dem brettharten Autobahn-Sand. Kein Mensch am Strand, überall Austernschalen. Und ein wunderbarer Schweigemarsch. Vorher führe ich ein tiefgehendes Gespräch mit einer anderen Fastenteilnehmerin. Und staune wieder einmal, wie nah ich den anderen Fastenleuten oftmals bin. Wie sehr sich unsere Themen ähneln. Wie intensiv das ist.

Und dann ist schon Abschiedsabend. Wir verkosten Cocktails aus Fruchtsäften und diversen pflanzlichen Milchsorten (Hafermilch gewinnt!). Und wir reden reden reden. Wahnsinn, wie schnell so eine Woche vergehen kann! Ich werde noch ein paar Fastentage dranhängen, jetzt, wo ich so gut drin bin. Bin jedenfalls wieder ordentlich mit positiver Energie aufgeladen und um drei Kilo leichter als bei der Anreise. Dieser Effekt ist sehr verlässlich – ich könnte Bäume ausreißen, wenn ich wieder zu Hause bin.

Mir ist klar – ich hatte schon viele tolle Fastengruppen, aber diese ist die tollste bisher. Einige von uns gründen eine WhatsApp-Gruppe und wollen im nächsten Jahr wieder zusammen hier fastenwandern. Und ich – ich werde im Herbst eine Woche alleine zu Hause fasten und bin dann im nächsten Frühjahr wieder hier.

Vorfreude ist die reinste Freude – bis bald!
Carmen aus Hamburg