Erfahrungsbericht zum Fastenwandern auf Mallorca
Wir genießen schweigend unseren Fruchtsaft. Ich schließe die Augen und erahne Melone, später auch Erdbeere. Ein genussvoller Start in den Tag und in meinen Fastenurlaub auf Mallorca: Mit jedem Löffel konzentriere ich mich mehr, den Geschmack zu erkennen. Als alle ihre Gläser ausgelöffelt haben, verrät uns Fastenleiter Thomas, dass wir frisch gepressten Saft aus Wassermelone, Erdbeeren und Pfirsichen gegessen haben. Köstlich!
Wir sind ein bunt gemixtes Grüppchen aus 18 Leuten zwischen 31 und 69, Sportler und Chiller, Rohköstler, Vegetarier und Allesesser, angereist mit Wünschen wie der Heilung von Allergien, Gewichtsabnahme, inneren Zentrierung und Reinigung oder Neuorientierung in der Ernährung.
Ich bin Semi-Wiederholungstäterin beim Fastenwandern. Neu für mich ist, das Fasten mit Wandern zu verbinden und die Woche mit Gleichgesinnten in der Gruppe zu verbringen, anstatt zu Hause mit beruflichem Stress und Essenkochen für die Familie belastet zu sein – und ohne Zeit für einen Leberwickel zu haben.
Ausgerüstet mit leichtem Tagesgepäck wandern wir von unserem Hotel an der Bucht von Mondrago im Südosten der Insel zum Strand Figueras. Nachdem wir das Meer erreicht haben, fesselt uns der Blick über die steil abfallende Küste. Immer wieder bleiben wir stehen, fotografieren, staunen und setzen uns zwischendurch auf kleine Sandsteinfelsen. Wir lassen den Blick in die Ferne schweifen und atmen die reine Meeresluft tief ein. Thomas kramt im Rucksack. Minuten später wandert eine Dose mit Zitronenschnitzen und eine mit Orangenscheiben von Hand zu Hand. Wie Austern mit Champagner genießen wir die saftige Erfrischung in der wärmenden Sonne.
Frisch gestärkt folgen wir dem Trampelpfad an der Küste, bis wir nach zwei Stunden Figueras mit seinen kleinen Fischerbooten, Eisdielen und Cafés erreichen. Wir freuen uns über unsere Mittagspause im Restaurant hoch über dem Meer. Als der Kellner ein Tablett mit 18 frisch gepressten Orangensäften zu unseren Tischen jongliert, fühle ich mich wie im Paradies. Wir genießen den Saft Löffel für Löffel, bis kein Tropfen mehr im Glas ist.
Am Spätnachmittag sind wir wieder im Hotel. Zeit für einen reinigenden Leberwickel, die erste Colon-Selbstmassage oder Entspannung am Meer. Ich bin zu müde zum Schwimmen und schlafe beim Leberwickel ein. Das Abendessen zelebrieren wir mit einer Gemüsesuppe auf Kartoffelbasis. Wer will, ergänzt sie mit frischer Petersilie, Dill oder Schnittlauch. Klar will ich! Der 1. Fastentag, an dem der Körper auf den Energieverbrauch aus den eigenen Reserven umschaltet und mit dem Entgiftungsprozess beginnt, war anstrengend. Doch die Suppe tut uns gut, und wir gehen alle früh schlafen.
Am nächsten Morgen lassen wir bei Chi-Gong-Übungen am Strand im aufsteigenden Nebel unserer Phantasie freien Lauf. Unser Höhepunkt am Mittag ist ein ausgiebiges Bad im karibikblauen Meer am Sandstrand von Es Trenc, dem größten Naturstrand der Insel. Dann genießen wir eine stundenlange Barfuß-Wanderung direkt am Meer. Nach einer halben Stunde Gehzeit ist der Strand fast menschenleer. Meditativ gehen wir Schritt für Schritt durch den weißen, warmen Sand. Gespräche verstummen, wir schmecken das Salz auf den Lippen, lauschen dem Zwitschern der Vögel und genießen die Wärme.
Erst als Thomas zur Orangen- und Zitronenschnitzpause ruft, sprudelt die Begeisterung aus uns heraus. Ich könnte Räder schlagen vor Energieüberschuss! Dann treffen wir uns alle wie in einer großen Badewanne im Meer und wollen dieses Fleckchen Paradies eigentlich gar nicht mehr verlassen. Erst als Thomas das dritte Mal zum Aufbruch ruft, waten wir unwillig aus dem 28 Grad warmen Wasser.
Abends treffen wir uns an der großen Suppenschüssel wieder und fiebern der Gemüsesuppe entgegen. Unser Raucherpärchen ist stolz, dass es ohne Zigarette auskommt, das Rohköstler-Pärchen fühlt sich blendend – und mich scheint ein Turbomotor anzutreiben. Fastenwandern, wie wunderbar!
Ich fühle mich wesentlich besser hier im Fastenurlaub als beim Fasten ohne Wandern zuhause. Die Wärme und die Bewegung tun gut. Täglich genießen wir die Erfrischung im lauwarmen Mittelmeer und entspannen im Schatten. Nach den Wanderungen zieht es mich nochmals ins Meer und ich gönne mir eine ausgiebige Schwimmrunde. Abends genieße ich Angebote wie die Progressive Muskelentspannung nach Jakobson, die Thomas anleitet, und schlafe danach wie ein Stein.
Vierter Fastentag, Halbzeit. Der Körper hat sich an die Energieaufnahme aus eigenen Depots gewöhnt, die Hosen beginnen zu rutschen, meine Haut fühlt sich ganz weich und rein an. Und irgendwie fühle ich mich innerlich aufgeräumt und ruhig. Ich genieße meinen freien Tag auf dem Markt von Santanyi. Ein Teilnehmer hat Geburtstag, und wir stoßen mit einem Glas Orangensaft an.
Am fünften Tag wandern wir von Les Corsa zum berühmten Kloster Luc im Tramuntana Gebirge. Dabei teilen wir Gedanken über den Sinn des Lebens, fragen uns, wie man dauerhaft Bedürfnisse im Zaum hält und sein inneres Gleichgewicht findet oder gehen schweigend nebeneinander her.
Der 6. Tag beim Fastenwandern auf Mallorca scheint der Tag der Entschlüsse zu sein. Ich fühle mich kraftvoll und möchte meine Fastenzeit um ein paar Tage verlängern. Andere wollen ihre Ernährung gesünder gestalten, nie wieder zu einer Zigarette greifen oder einen Chi-Gong-Kurs belegen.
Ein letztes Mal schöpfen wir fast wehmütig die Suppe aus der großen Schüssel, die heute wie ein Pokal auf dem Tisch thront. Ein Pokal für uns alle, denn wir haben den Hunger überwunden, konnten Gelüsten widerstehen, haben uns zu Gymnastik aufgerafft, auch wenn wir müde waren, und sind täglich mindestens vier Stunden gewandert. Die Belohnung ist innere Klarheit und Ruhe, ein strahlender Teint, Stärke für den Alltag und ein paar Kilo weniger auf den Rippen. Fasten ist eben mehr als Nahrungsverzicht – und am Schönsten, wenn man dabei wandert.
Viele Grüße von Eurer Monika